Bau einer Sommerturnhalle

Wenn im Jahre 1949, also bereits zwei Jahre nach der Wiedergründung, unter dem damaligen Vorsitzenden Wilhelm Müller, der Verein seine Turneralm durch Anbau einer Sommerturnhalle erweitern, den Wirtsgarten vergrößern und eine Kegelbahn einbauen konnte, ist dies wiederum ein Beweis des kameradschaftlich-turnerischen Geistes innerhalb des Vereins. Kein Wunder, wenn man die damaligen stillen Männer der Arbeit kennt. Einige davon zu erwähnen, ist Ehrensache: Karl Schädler, Willy Gunzenberger, Werner Rager, Hans Spindler, Max Bär, Ludwig Keller, Sepp Schuster, Achilles Venus, Paul Leitner u.a. allen im Nachhinein Dank und Anerkennung! Dem Chronisten sei noch erlaubt zu bemerken, daß Freunde und Gönner der Turnsache sich durch Spenden und sonstige Förderungen ebenfalls um den Verein verdient gemacht haben, wie beispielsweise Anton Kathrein, Max Kaiser, Architekt Heinrich Kellner oder die Auerbräu AG.

Unter der neuen Vorstandschaft Demmel/Schuster entstehen im Jahre 1950 auf der Turneralm Umkleidekabinen, ein Geräteschuppen und das Eingangstor wird neu erstellt. Auf sportlichem Gebiet sowie innerhalb des Vereinslebens wird der Anschluss an die besten Zeiten früherer Jahre wieder erreicht. Über Rosenheim hinaus haben die im festlichen Hofbräusaal alljährlich stattfindenden Turn-Werbeabende des MTV sportlich/turnerisch! gesellschaftliche Bedeutung.

Im Jahre 1951 wird eine Kegelabteilung gegründet. Zur Unterstützung der Vorstandschaft wird ein Ältestenrat ins Leben gerufen. Ferner wird der Sommerturn- und Spielplatz für Rosenheimer Kinder in den Ferien wieder zur Verfügung gestellt. Obwohl in den Wintermonaten ungünstige Trainingsmöglichkeiten bestanden, spielten die Faustballer weiterhin in der obersten Spielklasse. Die Männer werden zum 32. Mal (!) Faustball-Bezirksmeister und die Faustball-Damen erringen ihren zweiten Bezirksligatitel. Auch gesellschaftlich steht der MTV nicht abseits. Mit einer starken Abordnung beteiligt er sich am Rosenheimer Faschingszug, dabei wurde die Turnhallenverteilung der Stadt Rosenheim aufs Korn genommen.

Der Bauausschuss berichtete zu dieser Zeit: Umbau der Kegelbahn und Planung einer Pächterwohnung im Vereinsheim. Auf sportlichem Gebiet bestätigte Sepp Oberhuber seine bekannt guten Leistungen in den leichtathletischen Disziplinen mit der Erringung des Stadtmeistertitels 1952 und die Schwimmer Buchecker, Greilinger, Rothmayer, sind bei den Simssee-Meisterschaften im Brust-, Kraul- und 100C-m-Schwimmen mit guten Leistungen vertreten.

Sepp Wolf, der "traurige Artist"

Unser "trauriger Artist", wie sich Sepp Wolf selbst nannte, wird bei der Olympia-Ausscheidung der bayerischen Turner Dritter hinter Stangl und Pfann. Er verliert jedoch im entscheidenden Jahr seiner Turnerlaufbahn wegen eines gebrochenen Daumens die weitere Teilnahmemöglichkeit. Über Wolfs Turnerlaufbahn veröffentlichte seinerzeit das OVB (Jahrgang 1953 Nr. 185) unter dem Titel "Unser Sportporträt" einen ausführlichen Bericht, der wert ist, an dieser Stelle zitiert zu werden:

"Als Rundfunksprecher Harry Valerien beim Turnländerkampf Bayern - Jugoslawien die Wertungsnoten des Rosenheimer Sepp Wolf bekannt gab, da war dies nach 25 Jahren dessen größter Erfolg. Mit einer Gesamtnote von 57 Punkten war er in Hof Bayerns bester Turner, noch vor Olympiateilnehmer Pfann. Dr. J. Göhler, der" Turn-Papst" in Deutschland, stufte daraufhin vor wenigen Tagen Wolf in der deutschen Rangliste an 13. Stelle und an 2. in Bayern ein. Wer ist Sepp Wolf? Diese Frage ist trotz seiner Erfolge gar nicht so unberechtigt; denn der Rosenheimer ist nur schwer für publizistische Interessen zu gewinnen, da er sich selbst nur als Glied seiner Riege sieht. Wir holen also seine Vorstellung nach: Der drahtige, eher schmal zu nennende 31-jährige, verheiratete Bahnbeamte turnt seit seinem 8. Lebensjahr. Er erinnert sich dankbar seiner ersten Ausbilder, die sämtliche bereits der kühle Rasen deckt: Willy Renner, Richard Berndl und Franz Kögl, denen er die turnerischen Anfangsgründe verdankt. Mit Wärme nennt er zuletzt den Landesturnwart und Trainer von 1860 München, Heinrich Eichinger, der ihn am meisten lehrte. 1951 sah sich nämlich Wolf gezwungen, wenn er später weiterkommen wollte, dem TSV 1860 München beizutreten, wo er durch Mannschaftskämpfe ständig seine Form steigern konnte und beste Lehrkräfte seine Anleitung übernahmen.

Für Wolf war der Beitritt zu 1860 München tatsächlich ein turnerischer Gewinn. Er stand in der Riege des TSV 1860, die den deutschen Meistertitel 1952/53 im Turnvereinsmehrkampf erang, er war fünfmal international eingesetzt und in 17 Mannschaftskämpfe, einer verhältnismäßig hohen Zahl. Er hat 1953 in zehn Kämpfen fünf Siege errungen und einen zweiten Platz belegt. Wolf maß sich mehrmals mit Schweizern, der ägyptischen Auswahlmannschaft, mit Schleswig-Holsteins Turnern, war 1951 bayerischer Vizemeister, wurde 1952 bei der Olympiaausscheidung in Bayern hinter Stangl und Pfann Dritter, verlor aber die weitere Teilnahmemöglichkeit durch einen gebrochenen Daumen. Beim Deutschen Turnfest in Hamburg reihte er sich im Olympischen Zwölfkampf, der Krone der Turnkunst, unter 127 Teilnehmern aus Deutschland, Spanien, Schweiz und Österreich als 18. ein und ist heuer Münchner Stadtmeister geworden. Er gehört seit 3 Jahren der Bayernriege an und vorher schon längere Zeit der Kreisriege Oberbayern.

Seine Erfolge sind der hartverdiente Lohn einer zähen Obungsarbeit, die sich mit kriegsbedingten Unterbrechungen über 23 Jahre erstreckt. In Trainingsgemeinschaft mit seinem Vereinskameraden Sepp Fischer ist er regelmäßig dreimal wöchentlich in der Turnhalle anzutreffen. Vor dem Länderkampf gegen Jugoslawien trainierte er in 10 Tagen siebenmal. Nur so ist seine jahrelange, weit über den Durchschnitt herausragende Leistung möglich geworden. Sepp Wolf ist dazu ein Sportsmann vom Scheitel bis zur Sohle, bescheiden, zurückhaltend, eine Persönlichkeit, die nicht nur im Turnen die Haltung eines Gentleman zeigt. "

Sportlicher Höhepunkt im Jahre 1954 war der Internationale Turnwettkampf TV Zürich Regensdorf gegen eine Kombination MTV Rosenheim / TSV 1860 München, wobei der "ausgeliehene" Turner Sepp Wolf Bayerns bester Turner war.

Wer noch mehr über Rosenheims damalige Spitzenturner Sepp Wolf und Sepp Fischer wissen möchte, den darf der Chronist auf eine von dem früheren Rosenheimer Sportredakteur Hans Mosner verfasste Abhandlung "Meister des Sports von gestern" hinweisen, die in der Ausgabe vom 3./4. September 1983 im OVB veröffentlicht ist.

Sepp Wolf bei einem Salto-Abgang gestreckt am Reck